Flares 2

Funken ohne Funk – Martha Costons Leuchtsignale für die Schifffahrtskommunikation

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Stina Lohmüller

Funken ohne Funk – Martha Costons Leuchtsignale für die Schifffahrtskommunikation

Noch heute kommen in Gefahrensituationen Leuchtsignale zum Einsatz. Sie gehen auf Erfindungen zurück, mit denen die US-Amerikanerin Martha Coston Mitte des 19. Jahrhunderts die Kommunikation in der Schifffahrt revolutionierte. Zu ihren Innovationen gehörte auch ein eigens entwickelter Code aus Farb- und Zeichenfolgen.

Im 19. Jahrhundert, also lange bevor für die Schifffahrt Funkgeräte verfügbar wurden, kommunizierten Seeleute mit anderen Schiffsbesatzungen oder mit Personen auf dem Festland meist visuell, beispielsweise über Flaggen. Doch bei Nacht und schlechten Sichtverhältnissen, wie Nebel oder starkem Regen, waren die Crews auf sich allein gestellt.

Sichtbarer Erfolg – The Coston Flare

Dieses Problem löste Martha Jane Coston (1826 – 1904) Mitte des 19. Jahrhunderts mit farbigen Leuchtsignalen, die sich durch spezielle Pistolen oder fackelartige Halter entzünden und in die Luft schießen ließen. (Das damals neuartige Prinzip farbiger Rauchfeuer kennt man heutzutage von Bengalos.) Mehr noch: Um mit diesen Leuchtsignalen bestimmte Zeichen oder Botschaften zu übermitteln, entwickelte Coston einen Code aus Farbkombinationen. Sie nutzte dazu drei Farben, die noch heute standardmäßig in der Schifffahrt verwendet werden: Weiß, Rot und Grün.

Die Pulver für diese Farben waren in spezielle Kapseln verfüllt und dort wiederum übereinander geschichtet, je nach gewollter Abfolge. Aus den drei genannten Farben ergeben sich zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten, von denen Coston zwölf für ihre Signalleuchten auswählte und diesen jeweils ein Zeichen zuordnete.

Mit diesem System konnten die Nutzer*innen der „Coston Flares“ die Ziffern 0 bis 9 sowie die zwei Buchstaben P und A darstellen: Etwa „Weiß-Rot“ für die Ziffer 2, „Weiß-Grün“ für die Ziffer 3 oder „Weiß-Rot-Weiß“ für den Buchstaben P.

Die Abbildung zeigt, für welche Zeichen die jeweils unterschiedlich gefüllten Kapseln standen. Illustration: Henry Steinhau, nach Vorlage von http://www.civilwarsignals.org/pages/signal/signalpages/flare/coston.html
Die Abbildung zeigt, für welche Zeichen die jeweils unterschiedlich gefüllten Kapseln standen. Illustration: Henry Steinhau, nach Vorlage von http://www.civilwarsignals.org/pages/signal/signalpages/flare/coston.html

Das P stand für „prepare“ – auf Deutsch vorbereiten – und signalisierte den Anfang einer Nachricht. Mit dem A – für „answer“ – kündigten die Nutzer*innen eine Antwort an. Die einzelnen Ziffern wiederum standen – einzeln oder als mehrstellige Zahlen – für bestimmte Informationen und militärische Anweisungen, die 13 beispielsweise für „Feind von links“ oder die 22 für „Schicken Sie Truppen zu unserer Rechten“.

Tabelle mit ausgewählten Beispielen des von Martha Coston erfundenen Codes. Siehe: http://www.civilwarsignals.org/pages/signal/signalpages/flare/coston.html
Tabelle mit ausgewählten Beispielen des von Martha Coston erfundenen Codes. Siehe: http://www.civilwarsignals.org/pages/signal/signalpages/flare/coston.html

Auf diese Weise fand schon im 19. Jahrhundert eine codierte Informations- und Datenübertragung von, zwischen und zu Schiffen statt – wenn auch rudimentär und für sehr begrenzte Zwecke. Dennoch war es eine wahrhafte Pionierinleistung.

Ein Funken genügte: Die Idee kam wie gerufen

Costons Erfindung traf den Zahn der Zeit. In den USA kündigte sich Ende der 1850er-Jahre ein Bürgerkrieg an und die Navy der Unionsstaaten suchte nach neuen Möglichkeiten, ihre Manöver auf See zu koordinieren. Sie kaufte die Coston-Signale und ihre Schiffsbesatzungen konnten damit fortan nicht nur Befehle erteilen und Notrufe absetzen. Vielmehr halfen sie den Unionisten auch dabei, alliierte von feindlichen Schiffen zu unterscheiden. Wer kein Coston-Signal benutzte, ihren Code nicht verwendete, war verdächtig.

Mit dem Patent zur Firmengründung

Bevor Martha Coston ihre Signale 1859 patentieren ließ, verbrachte sie etwa zehn Jahre damit, die Erfindung zu testen und zu verbessern. Nach dem frühen Tod ihres Ehemanns, Benjamin Franklin Coston, suchte Martha nach einer Möglichkeit, sich und ihre vier Kinder zu versorgen.

Sie war zu diesem Zeitpunkt erst 21 Jahre alt und hatte keine umfangreiche Bildung erhalten. In den Unterlagen ihres verstorbenen Mannes entdeckte Martha Skizzen für Leuchtsignale und erkannte deren Potenzial. Vor seinem Tod hatte sich Benjamin Coston bereits einen Namen als Erfinder gemacht und arbeitete im Naval Laboratory des Navy Yard in Washington.

Aus diesen Skizzen erschuf sie nicht nur die Signalleuchten, sondern auch die finanzielle Sicherheit ihrer Familie. In dem Patent, das Coston 1859 für die Signale und den Farbcode erhielt, gab sie ihren Mann als den Erfinder an. Eine kluge Entscheidung der Unternehmerin, denn die Bekanntheit seines Namens erleichterte die Vermarktung. Spätere Patente ließ Martha Coston auf ihren Namen ausstellen. (Siehe Pilato, Denise E., „Martha Coston: A Woman, a War, and a Signal to the World”, Journal of Naval History, Vol. 1, 2002, PDF.)

Nach Erhalt des Patents gründete Coston 1859 die Coston Manufacturing Co. Die U.S. Navy kaufte und nutzte zwar ihre Signalleuchten, doch den Erwerb des Coston-Patents hatte das Militär mehrfach verzögert und ließ im Kongress darüber debattieren. So ging Martha Coston zunächst nach Europa. Während langer Geschäftsreisen arbeitete sie daran, dass ihre Erfindung international bekannt und weitreichend genutzt wurde.

Die Abbildung zeigt eine Anzeige von Martha Coston Firma aus dem Jahr 1913. Gemeinfrei/Public Domain, via: https://en.wikipedia.org/wiki/Martha_Coston
Die Abbildung zeigt eine Anzeige von Martha Coston Firma aus dem Jahr 1913. Gemeinfrei/Public Domain, via: https://en.wikipedia.org/wiki/Martha_Coston
Verkaufserfolge in Europa und Brasilien

Sie ließ ihr Signalsystem in Frankreich, England, Dänemark, Österreich, Spanien, Italien und den Niederlanden patentieren, baute Verbindungen zu den nationalen Marinen auf und verhandelte sogleich den Patentverkauf in England und Frankreich. In der Folge produzierte sie – über mehrere Jahrzehnte – Leuchtsignale für den U.S. Weather Service, private Reedereien, Handelsschiffe und Militäreinrichtungen in England, Frankreich, Italien, Österreich, Dänemark, den Niederlanden und Brasilien.

1861 kehrte Martha Coston in die USA zurück. Dort begann gerade der Sezessionskrieg zwischen Unionsstaaten und konföderierten Staaten. Im selben Jahr kaufte die U.S. Navy schließlich Costons Patent, wenn auch nur für die Hälfte des von ihr verlangten Preises. Doch für die damit mögliche eigenständige Produktion der Signalleuchten gab es bei der Marine mitten im Krieg keine Kapazitäten. Daher bezog das Militär die Kapseln für die Farbsignale weiterhin von der Coston Manufacturing. Während des Bürgerkriegs – der vier Jahre, also bis 1865 andauern sollte – verkaufte das Unternehmen etwa eine Million Leuchtsignale an die Navy der Unionsstaaten.

Die Abbildung zeigt Martha Jane Coston. Gemeinfrei/Public Domain, via: https://en.wikipedia.org/wiki/Martha_Coston
Die Abbildung zeigt Martha Jane Coston. Gemeinfrei/Public Domain, via: https://en.wikipedia.org/wiki/Martha_Coston
Trotz Täuschungsversuchen und Chauvinismus die „Coston Flares“ am Markt etabliert

Martha Costons Erfolg und ihr unternehmerisches Geschick sind im Kontext des 19. Jahrhunderts und der seinerzeit stark eingeschränkten Frauenrechte außergewöhnlich. In ihrer Autobiografie „A Signal Success“ beschreibt Coston die vielen Täuschungsversuche und den Chauvinismus, den sie erfuhr. (Coston, Martha J., A Signal Success. The Life and Travels of Mrs. Martha J. Coston, Lippincott Co., Philadelphia, PA, 1886.)

Doch es gelang ihr ebenso, Unterstützer*innen und Verbündete zu finden, die ihre Begeisterung für die Leuchtsignale teilten. Hochrangige Mitglieder der Navy sicherten ihr den Zugang zu Laboren und stellten ihr Arbeitskräfte zur Verfügung. Ingenieure und Pyrotechniker halfen ihr, die Farben der Signale zu perfektionieren. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Die damals entwickelte Formel wird noch heute in bengalischen Feuern und anderen Warnsignalen verwendet.

In den Jahren nach dem Bürgerkrieg wurden ihre Leuchtsignale zum Standard-Notsignal der US-Küstenwachen. Zugleich blieben sie das wichtigste Nachtsignalsystem der US-amerikanischen Marine, bis in den 1930er-Jahren die Seefunkgeräte aufkamen. Aufgrund ihrer großen Verbreitung als Notsignale hatten sich die „Coston Flares“ so fest etabliert, dass sie heute sogar in Computerspielen zu finden sind. („Coston Flare”, Curious Expedition Game.)

Wichtiger Beitrag zur Entwicklung der Signal- und Datenübertragung in der Schifffahrt

Martha Costons Leuchtfeuersignale und der von ihr entwickelte Code sind Teil einer langen Tradition, visuelle, codierte Signale für die Schifffahrt zu nutzen, angefangen beim Flaggenalphabet über die Leuchtsignale bis hin zu Codes und bestimmten Symbolen und Zeichen, die sich in der heutigen, längst digitalisierten Schifffahrt finden.

Auch wenn Costons Farb- und Ziffern-Code heute nicht mehr verwendet wird – der Einsatz von Leuchtraketen als Notsignal hat bis heute Bestand. Auch die Zuordnung eines grünen Lichts für Steuerbord (rechts) und rot für Backbord (links), die heutzutage gilt, ist schon in Costons Codesystem zu finden. Mit ihren Erfindungen leistete sie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Signal- und Datenübertragung in der Schifffahrt.

Auftakt zu einer Serie: Frauen haben in der Geschichte der Mobilität Bemerkenswertes geleistet und treiben heute digitale und datenbasierte Innovationen voran. Mit diesem Artikel starten wir eine Serie, in der wir Frauen, die diesen Weg geebnet haben, und jene, die ihn jetzt ausbauen, vorstellen.

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